Was können wir vom EHC Basel in der Swiss League erwarten? Eine Einschätzung.
Mitten im Sommer über Eishockey reden? Na klar, denn jetzt wird im Sommertraining und beim Teambuilding in taktischer, strategischer und physischer Hinsicht die Basis gelegt für eine erfolgreiche Saison. Dies ist besonders wichtig für den EHC Basel, der den Sprung eine Liga höher schaffte und sich jetzt in der Swiss League bewähren muss. Basel ist 14 Jahren nach dem Abstieg aus der höchsten Liga und acht Jahre nach dem Konkurs in der NLB (Sommer 2014) im Frühling 2022 auf die grosse Hockey-Landkarte zurückgekehrt.
Wird Basel mittelfristig im Schatten des FC Basel doch noch zu einer Hockeystadt? Die Chancen stehen gar nicht so schlecht – sowohl in sportlicher Hinsicht wie auch bezüglich des Timings: Der FC Basel dominiert zwar im Teamsport nach wie vor die öffentliche Wahrnehmung. Aber dadurch wird eben auch bei einem immer heterogeneren Sport-Zielpublikum Platz frei für andere populäre Sportclubs der Region. Beispielsweise für den EHC Basel.
Sportlich hat der EHC Basel mit dem Aufstieg den entscheidenden ersten Schritt zur Realisierung der «Vision Swiss League» gemacht. Diese Vision beinhaltet nicht nur sportliche und strukturelle Ziele. Es geht um viel mehr: Eishockey soll in der Region endlich wieder mehr Aufmerksamkeit und Begeisterung entfachen und eine Bindung zu den Hockey-Fans im Grossraum Basel schaffen.
Endlich in der «richtigen Liga» – zumindest momentan
Der EHC Basel war in der MySports League fast eine Nummer zu gross: Auf allen Positionen – inklusive Cheftrainer Christian Weber – bereits besetzt wie eine Swiss League Mannschaft und mit einer Infrastruktur (Stadion, Trainingsbedingungen…) und wirtschaftlichen Basis für mindestens die zweithöchste Liga.
Im sportlichen Bereich sind die Weichen vor zweieinhalb Jahren gestellt worden: Sportdirektor und Geschäftsführer Olivier Schäublin hatte bei der Kaderbildung und bei der Wahl des Cheftrainers stets den Aufstieg in die Swiss League im Blick: Schon 2019 gab es erste Gespräche mit Christian Weber (58). Was den Dübendorfer besonders am Job reizte: Die Ausgangslage. Sie war diesmal anders als in den meisten seiner bisherigen Trainerstationen in der höchsten Liga (ZSC Lions, Langnau, Lakers). Als er im Frühjahr 2020 sein Amt antrat, hatte er bereits eine Mannschaft zur Verfügung, die das Ziel Aufstieg erreichen konnte. Natürlich: Der Erfolgsdruck war auch da. Aber weniger lähmend als zuvor in Zürich oder dann später bei den Lakers. Und anders als in Langnau hatte er ein positives (Aufstieg) und nicht ein mühseliges Ziel vor Augen (Abstieg verhindern). Der erste Anlauf in Basel musste wegen der Pandemie abgebrochen werden. Die Meisterschaft der MySports League der Saison 2020/21 ist bereits im Herbst 2020 annulliert worden.
Chrigel Webers grösster Erfolg als Chefcoach
Für Christian Weber ist der Aufstieg in die Swiss League (gegen Martigny) und der Titelgewinn in der MySports League nach einem dramatischen Final über die Maximaldistanz von fünf Partien gegen Hockey Huttwil der vielleicht wichtigste Erfolg seiner langen Trainerkarriere. Als Cheftrainer bei der Kaderplanung mitzuhelfen und schliesslich passgenau das Ziel Aufstieg zu erreichen ist schon so etwas wie die Königsdisziplin seiner Branche. «Das war ein hartes Stück Arbeit und ich bin stolz darauf, dass die Jungs diesen Erfolgsdruck auch mental gut verarbeitet und das grosse Ziel erreicht haben», sagt der national und international exzellent vernetzte Zürcher. Er kehrt nun in eine Liga zurück, die er aus eigener Erfahrung kennt: von 2001 bis 2003 war er Cheftrainer der GCK Lions, von 2013 bis im Januar 2015 führte er den HC Thurgau und von Februar 2015 bis 2018 war er Sportdirektor in La Chaux-de-Fonds.
Spektakel garantiert?
Für die erste Saison in der Swiss League wird keine neue Mannschaft zusammengestellt. Sondern das Aufstiegsteam gezielt verstärkt. Die meisten Aufstiegshelden bleiben. Als ersten Ausländer hatte Olivier Schäublin Jakob Stukel (25) verpflichtet. Danach folgte – als spielerisch-taktischer Entscheid in seiner Spielweise genau auf Stukel zugeschnitten – der umsichtige und spielintelligente Brett Supinski. Vor allem Jakob Stukel verspricht Spektakel. Der kanadische Flügel war der wohl schnellste Läufer und einer der besten Skorer in der ICEHL, der höchsten Liga Österreichs, zu der auch die Topteams aus Italien, Slowenien und Ungarn sowie je eine Mannschaft aus Tschechien und der Slowakei gehören. Christian Weber, der diese Liga aus eigener Trainererfahrung in Klagenfurt kennt, sagt zum historischen Transfer (es ist ja der erste ausländische Spieler einer neuen Ära im Basler Hockey): «In der Swiss League ist Geschwindigkeit enorm wichtig. Und Effizienz vor dem Tor. Wir haben nun einen Stürmer gefunden, der alle unsere Anforderungen mehr als erfüllt. Und zudem ist er auch menschlich top. Ein echter Teamplayer.» Christian Weber hat seinen ersten Ausländer mehrfach von Vertrauenspersonen und Spezialisten beobachten lassen und stundenlang Videos analysiert. Jakob Stukel – er war 2016 NHL-Draft (Nr. 154), spielte aber nie in der NHL – hatte auch andere gute Angebote und Basels Trainer ist froh, dass die Agentur, die den Kanadier betreut (Sportagon, beratend tätig auch für mehrere andere Spieler im Basler Kader, berät auch Weber selbst), den Transfer möglich gemacht hat. Nicht zuletzt dank den langjährigen intensiven und guten Beziehungen zum EHC Basel. So arbeitet man eben hinter den Kulissen, wo auch das Networking Wirkung zeigt.
«Old Boys Network» – auch in Bern und Basel
Der EHC Basel bleibt in der Swiss League selbständig, arbeitet jedoch neu eng mit dem SC Bern zusammen: Die guten Beziehungen von Olivier Schäublin zu SCB-Verwaltungsrat Marc Streit haben beim Aufgleisen dieser wichtigen Partnerschaft geholfen. Die Berner schicken Spieler, die noch nicht ganz bereit sind für die höchste Liga, zur Aus- und Weiterbildung nach Basel. Eine der Leihgaben ist unter anderem U 20-Nationalgoalie Andri Henauer, in Bern hinter Philip Wüthrich und Daniel Manzato die Nummer drei. Der Bruder von SCB-Verteidiger Mika Henauer gehört zu den grössten Torhütertalenten im Land.
Nun soll das Interesse – letzte Saison kamen in der höchsten Amateurliga 1’013 Fans während der Qualifikation und 2’341 während der Playoffs – gesteigert werden. Das wird nicht einfach sein. Der EHC Basel hat zwar einen Kern von gut 1’000 treuen Anhängerinnen und Anhängern. Aber Eishockey ist in der Region Basel nach wie vor ein Nischenprodukt. Das Ziel heisst im Marketingjargon «Markterweiterung». Also die Gewinnung von neuen Zielgruppen. Das Potenzial ist da: In der ersten Saison nach den Aufstiegen in die NLA sind zweimal (Saison 2003/04 und 2005/06) im Durchschnitt knapp 3’500 Fans mobilisiert worden. In der zweithöchsten Liga waren es in der Saison vor dem Konkurs (2013/14) knapp 1’500 pro Partie.
Ein Geschenk der Hockeygötter für die SL
Nicht nur für den EHC Basel und die Region, auch für die Swiss League ist der Aufstieg ein Geschenk der Hockeygötter. Durch diesen Aufstieg ist die Grossregion Basel, einer der weissen Flecken der Hockey-Landkarte, nun wieder dem Stromkreis des Profihockey angeschlossen. Die Bedeutung dieser Markterweiterung kann für die Swiss League gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Partien gegen Olten und Langenthal haben durchaus Derbycharakter und sorgen für Medienpräsenz. Und nicht zu unterschätzen ist noch ein Faktor: Der EHC Basel kann dank dem Aufstieg den professionellen Betrieb der Juniorenabteilungen weiterhin gewährleisten. Die Swiss League, ja unser Hockey «braucht» den EHC Basel. Die Frage ist natürlich, ob das zarte Pflänzchen der Hockeybegeisterung in Basel nun aufblühen wird. Die Hockeybegeisterung konnte in den letzten Jahrzehnten in Basel jeweils nur sporadisch entfacht werden. In Neuzeit gab es in den 1980er und 1990er Jahren eine aufflackernde Begeisterung durch die Aufstiege von 1984 (mit dem legendären Jim Koleff) und 2000 in die damalige Nationalliga B. Zwischen 1977 und 1999 pendelte der EHB Basel zwischen der Nationalliga B (von 1984 bis 1987) und der 2. Liga. 2002 löste die Einweihung der St. Jakob-Arena eine Aufbruchstimmung aus. Am 23. März 2003 entschied der EHC Basel den NLB-Final gegen Visp und kehrte nach 40 Jahren in die höchste Liga zurück. Ein Jahr später folgte zwar bereits die Relegation. Aber mit Kent Ruhnke wurde Basel erneut NLB-Meister und besiegte in der Ligaqualifikation den Lausanne HC in der Best-of-7-Serie im 7. Spiel im Frühjahr 2005 auswärts und kehrte in die NLA zurück. Als Neuling schaffte Basel 2006 auf Rang 6 überraschend die Playoffs. Aber bereits 2008 folgt nach drei Saisons in der höchsten Spielklasse die Relegation in die NLB. 2014 war die EHC Basel AG zahlungsunfähig und ging Konkurs. Dank dem Zusammenschluss mit dem damaligen Erstligisten EHC Basel-Kleinhüningen musste nicht in der 4. Liga neu begonnen werden. Das ist die bewegte neuere Geschichte der Basler Hockeykultur. Kann aus Basel also eine Hockey-Stadt werden? Ja, warum eigentlich nicht?
JoW