Wichtigster Wachstumstreiber 2017 sind Life Sciences und die Pharmabranche
Laut dem bekannten Prognoseinstitut BAK Basel wird die Schweizer Wirtschaft in den Jahren 2017 und 2018 um zwei Prozent wachsen. Was bedeutet das für unsere Region? Wir haben beim Chefökonomen des Institutes, Martin Eichler, nachgefragt.
Das reale Lohnwachstum dürfte 2017 – trotz eines besseren Wirtschaftsganges – eher tief ausfallen. So lautet das Fazit von Martin Eichler, Chefökonom und Mitglied der Geschäftsleitung des Prognoseinstituts BAKBASEL aus, wenn er auf die nächsten Monate blickt: «Zwar ist mit einer leichten Steigung der Nominallöhne zu rechnen. Jedoch wird auch die Inflation nach mehreren Jahren mit Preisrückgängen in den positiven Bereich zurückkehren. Sie bleibt zwar tief, wird aber dennoch einen Teil des geringen Nominallohnwachstums auffressen, sodass der Reallohn nahezu stagnieren dürfte.» Das ist einer der vielen Aspekte und Teilbereiche des Lebens, die konkret benannt werden können, wenn man die Wirtschaftsprognose 2017 und 2018 unter die Lupe nimmt.
Martin Eichler betont aber auch: «Ein guter Wirtschaftsgang 2017 lässt auf eine bessere Lohnentwicklung 2018 hoffen. Gerade bei den Löhnen gibt es stark branchenspezifische Unterschiede. Das hat mit dem unterschiedlichem Wirtschaftsgang der Branchen zu tun.»
Der Grossteil der Wirtschaft habe sich bereits im Verlauf des Jahres 2016 vom Frankenschock gelöst, heisst es ausserdem. Die Exporte nehmen zu und die Unternehmen werden optimistischer. Dieser positive Trend würde sich gemäss Expertenmeinungen im kommenden Jahr fortsetzen. Ausserdem: Die Wirtschaft wird 2017 von stärkeren Investitionstätigkeiten angekurbelt und ab 2018 wird laut BAK Basel der private Konsum wieder für mehr Impulse sorgen.
Das Wirtschaftswachstum wird gem. Prognose v. BAKBASEL leicht höher ausfallen als zunächst vermutet. Was sind konkret die Konsequenzen oder damit verbundenen Erwartungen?
Martin Eichler: Höheres Wirtschaftswachstum und eine anziehende Investitionstätigkeit wird auch die Situation am Arbeitsmarkt verbessern. Allerdings nur langsam und mit einer gewissen Verzögerung: Im laufenden Jahr ist mit einer Stagnation der Arbeitslosenquote zu rechnen: Zuletzt lag diese saisonbereinigt bei 3.4% (November 2016). 2017 sollte die Beschäftigung leicht um zirka 0.7% zulegen. Da gleichzeitig jedoch aus das Erwerbspersonenpotentials weiter zunimmt, bleibt die Arbeitslosigkeit weitgehend konstant. Ab 2018 ist dann mit einer Verbesserung auch wieder der Arbeitsmarktsituation zu rechnen.
Man spricht in der Prognose auch von der Fortsetzung der Negativzinse. Was bedeutet das?
Martin Eichler: Dies bedeutet, dass für die Sparer und Banken, Versicherungen und Pensionskassen ein weiteres äusserst magereres Jahr bevor steht. Trotz des guten Wirtschaftsgangs ist 2017 nicht mit einem Ende der Tief- und gar Negativzinsen zu rechnen. Ausschlagegeben für die Politik der Schweizer Nationalbank ist hierfür derzeit das Europäische Umfeld, nicht der Schweizer Wirtschaftsgang.
Was bedeuten solche Prognosen für den Standort Basel und die Region Metrobasel? Sorgen die positiv klingenden Prognosen auch für eine optimistische Grundhaltung und «mehr Mut» für Investitionen oder Projekte?
Martin Eichler: Ja! Eine der Branchen mit überdurchschnittlich guten Aussichten ist die Life Sciences Industrie. Dementsprechend kann die Nordwestschweiz 2017 ein nochmals spürbar höheres Wachstum erreichen; von allen Regionen der Schweiz dürfte sie sich 2017 an die Spitze des Wachstumsrankings stellen.
Das heisst konkret?
Martin Eichler: Die beiden Basler Halbkantone dürften zusammen im Jahr 2017 ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3 Prozent erfahren. Wichtigster Wachstumstreiber ist dabei die pharmazeutische Industrie mit einer Zunahme der realen Wertschöpfung von 4.6 Prozent. Auch 2018 dürften die Zuwächse in einem ähnlichen Grössenordnung ausfallen. Entsprechen positiv gibt sich der Ausblick für den regionalen Arbeitsmarkt. Wir erwarten eine Zunahme der Zahl der Beschäftigten in der Region Basel um 1.1 Prozent respektive 1.2 Prozent. Dies zeigt sich gut sichtbar bei der Bautätigkeit in der Region, wo zahlreiche grosse Projekte vorangetrieben werden, allen voran der weitere Ausbau des Roche-Areals oder die Arbeiten am Bâloise-Areal.
Und wie steht es um die längerfristig ausgelegten Projekte? Bekommen bestimmte Projekte Rückenwind?
Martin Eichler: Für längerfristig angelegte Projekte sind die in dieser Perspektive kurzfristigen und kleinen Veränderungen der konjunkturellen Lage weniger bedeutend. Dennoch dürfte sich damit die Realisierungschancen der diversen Projekte verbessert haben, wie auch die Chance, dass in den nächsten Monaten weiter grössere Projekte angepackt werden, die im Moment noch gar nicht bekannt sind. Ein erheblicher Teil des Wachstums findet mit der besseren Konjunkturlage aber gar nicht in spektakulären Projekten statt, sondern in einem kontinuierlichen organischem Wachstum. Auch und gerade in den zahlreichen KMU der Region. Dies ist weniger sichtbar, aber letztendlich mindestens so bedeutend für den Wohlstand und den Arbeitsmarkt der Region wie spektakuläre Einzelprojekte.
Basel ist kürzlich bei der Wirtschafts- und Unternehmens-Standortattraktivität auf Rang 4 zurück gefallen und erstmals seit langer Zeit nicht mehr unter den Top 3-Kantonen. Bis 2020 sollte BS wieder aufgrund einiger Parameter in die Top 3 oder sogar auf Platz 2 vorrücken…
Martin Eichler: Die Standortrankings reflektieren die Attraktivität für Unternehmen und nehmen eine längerfristige Perspektive ein. Daher ist vor allem der Trend im Ranking relevant, weniger kurzfristige Schwankungen. Unsere Modelle berücksichtigen verschiedenste Faktoren der Standortattraktivität, aber auch zahllose weitere Einflussfaktoren. In ihrer Bedeutung bleiben die «Standortfaktoren» für die konjunkturelle Betrachtung allerdings stark hinter anderen Faktoren wie beispielsweise die Nachfrageentwicklung der Weltwirtschaft, die Einkommensentwicklung oder die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zurück. Sie gewinnen hingegen an Bedeutung bei längerfristigen Potenzialbetrachtungen für das Wachstum.
Wie beurteilen Sie die Wirtschaftsentwicklung der letzten fünf Jahre in der Region und welche Erwartungen sind realistisch bis 2020?
Martin Eichler: Die Region Nordwestschweiz hat sich in den vergangenen fünf Jahren in einem schwierigen Umfeld wirtschaftlich recht erfolgreich entwickelt. Dies verdankt sie unter anderem auch der günstigen Branchenstruktur, die sie für die verschiedenen Belastungsfaktoren weniger anfällig gemacht hat: Dazu gehören, dass die Tiefzinsen und die Eurokrise die Life Sciences weniger als beispielsweise den Finanzsektor treffen. Ausserdem sind die Life Sciences stärker auf den Weltmarkt ausgerichtet und ihre Produkte stehen weniger im Kostenwettbewerb und sind somit weniger konjunkturanfällig als dies bei anderen stark auf den Export ausgerichteten Branchen der Fall ist.
Wie ist Ihr Schlussfazit für 2017 und 2018?
Martin Eichler: Die Aussichten sind im Moment sehr günstig. Denn die Schweiz weist eine hohe Wettbewerbsfähigkeit aus und kann sich besser entwickeln als viele Konkurrenten. Und dies gilt nochmals ausgeprägter für die Nordwestschweiz. Wir dürfen dabei jedoch die Risiken nicht übersehen wie beispielsweise die weitere Entwicklung der EU, die Unwägbarkeiten einer Wirtschafts- Politik eines Donald Trump oder den geopolitischen Risiken wie jene rund um Syrien, die Ukraine oder dem Südchinesischem Meer. Diesen müssen wir uns stellen. Über weitere Risikopositionen für die Wirtschaft wie die Unternehmenssteuerreform III und die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative entscheiden wir jedoch selbst. Dabei müssen wir uns bewusst sein, in welchem grossen Mass wir von der Vernetzung unserer Wirtschaft mit dem ganzen Globus profitieren, wir aber gleichzeitig damit auch die daraus entstehenden Abhängigkeiten beachten müssen. Weitere, auf der Zeitachse etwas längerfristiger Herausforderungen sind die Digitalisierung der Wirtschaft, von der nahezu sämtlicher Geschäftsmodelle früher oder später betroffen werden dürften, und die demographische Wende hin zu einer schrumpfenden Bevölkerung. Die Schweiz befindet sich in einer immer noch hervorragenden Ausgangslage, um alle diese Herausforderungen zu meistern, aber sie muss die Chancen auch zu nutzen wissen und agieren anstatt zu reagieren.
JoW