Der FC Basel riskierte in den letzten Jahren mit seiner Kaderstrategie einen «Liebesentzug» bei Teilen der Fangemeinschaft. Nun konnte man mit einem Transfercoup die Glaubwürdigkeit bei einem Grossteil der FCB-Fan-Community wieder erlangen. Das war wichtig, da mit Fabian Frei die nächste Identifikationsfigur den Verein verlässt.
Vor einigen Jahren wurde beim FC Basel vollmundig angekündigt, dass man vermehrt Jungprofis in die erste Mannschaft integrieren wolle, die beim FCB ausgebildet wurden. Bestenfalls sollten diese Spieler auch einen persönlichen Bezug zur Region Nordwestschweiz haben. Von diesem Plan war man zeitweise abgekommen. Die aktuelle Profifussball-Realität ist nämlich eine ganz andere. Es stellte sich in den letzten Jahren die Frage: Wie stark leidet bei der aktuellen Legionärstruppe die Identifikation der Basler/innen mit dem FCB?
Vor rund einem Jahr war diese Schlagzeile zu lesen: «Ist der FCB das neue FC Sion?» Eine Anspielung an die Transfer- und Kaderpolitik des Walliser Vorzeige-Fussballclubs. Auch dort wurde jahrelang das Kadergefüge wild mit «Legionären» durcheinander gemischt und der einst als stolzer «FC Wallis» gepriesene Club verlor bei einem grossen Teil der Fans und in der Bevölkerung viel Rückhalt. Die Identifikation hatte stark gelitten. Dies, weil unter anderem der Präsident Christian Constantin viel Goodwill verspielte aber vor allem auch, weil im Kader, wo einst einige Walliser erfolgreich spielten, zuletzt kaum Charaktertypen aus der Region zu finden waren. Parallelen zum FCB der letzten Jahre sind nicht weg zu leugnen. Immerhin haben die erfolgreichen internationalen Conference League Kampagnen so einiges kaschiert und eine gewisse Identifikation erzeugt. Aber längst nicht mehr jene, wie einst, als mit Beni Huggel, den Yakin Brüdern, Marco Streller, Alex Frei und Co. mehrere Spieler aus der Region im Kader standen. Ausserdem auch andere mit einem «FCB Gen», die dem Club jahrelang die Treue hielten.
Nun hat sich der Wind wieder etwas gedreht: Einige Jungprofis aus dem FCB Nachwuchs und aus der Region sind dabei, sich zu etablieren und mit Dominik Schmid aus Rheinfelden nimmt ein «Einheimischer» eine Führungsrolle im Team ein. Und jetzt – wohl zum genau richtigen Zeitpunkt – feiert die ganze Fussballschweiz und die Region erst recht die Rückkehr von «Shaq» aus Pratteln/BL zu seinem Kindheits-, Jugend- und Herzensclub. Der FC Basel hat eine neue Identifikationsfigur und «rettet» somit seine Glaubwürdigkeit. Selten zuvor hatte man in den letzten titellosen Jahren vor einem Meisterschaftsspiel so viele erwartungsfrohe, fröhliche Gesichter in und um das Stadion gesehen wie beim ersten Heimspiel seit der Rückkehr Shaqiris.
Die Gründe für eine starke Identifikation mit einem Club
Identifikation ist aber heuer in der (Club-)Fussballwelt kein Selbstläufer mehr. Nur noch wenige Clubs haben die Etablierung und Beibehaltung einer Identität als oberste Prämisse. Nicht einmal mehr Ajax Amsterdam oder der FC Barcelona. Einige wenige Ausnahmen gibt es noch wie beispielsweise Real Sociedad San Sebastian, welche grundsätzlich auf Baskische Profis setzen oder der FC St.Pauli in Grundsatzfragen zur Clubidentität.
Wie aber entsteht Identifikation im Mannschaftssport? In einer grossen Umfrage vom Statista Research Department wurde folgende Frage gestellt: «Aus welchem(n) Grund(en) identifizieren Sie sich mit Ihrem Lieblingsclub?» Die meisten Antworten waren: Tradition steht ganz oben, zusammen mit den Wertevorstellungen, die der Club vorlebt. Auch positive und emotionale Erinnerungen, die man mit dem Club verbindet, spielen eine grosse Rolle. Dann kommt bereits die Verbundenheit mit der Region als wichtiger Aspekt. Nicht wenige solidarisieren sich mit einem erfolgreichen Club aufgrund der positiven Emotionen oder aus Bewunderung. Für viele ist zudem wichtig, dass Freunde ebenfalls Fans des Clubs sind (Gemeinschaftsgefühl) und für andere ist der Verein, wo deren Lieblingsspieler gerade aktiv ist, ganz hoch im Kurs. Nicht zuletzt auch auf der Liste: Die «vererbte Passion» für einen Club. Diese kann von den Eltern, Geschwistern, von der Familie mit eingebracht worden sein.
Tradition, emotionale Erinnerungen, «vererbte Leidenschaft»…
Der FC Basel konnte glücklicherweise immer auch von einigen dieser Aspekte zehren: Es sind dies Tradition, emotionale Erinnerungen, «vererbte Leidenschaft» und der «Stolz», dass der FC Basel in der Region diese Strahlkraft (noch) hat. Und man erinnert sich noch immer an die Meisterjahre, an die vielen «magischen Nächte» in den Internationalen Wettbewerben. Man ist zudem auch stolz darauf, dass Rotblau über ein Jahrzehnt fast im Alleingang für die Schweiz die meisten Punkte lieferte für den UEFA Club-Koeffizienten und so den Schweizer Clubfussball am besten von allen vertreten konnte.
Dennoch wurde viel darüber debattiert, dass nunmehr nur noch sehr wenige «Basler Identifikationsfiguren» im Kader übrig bleiben. Und diese zudem sportlich in diesem Kader bald die zweite Geige spielen. Derzeit klammert man sich an die FCB-Veteranen Taulant Xhaka (ein «Basler») und nun Dominik Schmid und Xherdan Shaqiri. Fabian Frei, ein «Wahlbasler», hat den Club verlassen. Nach dem Rücktritt von Identifikationsfigur Valentin Stocker (auch er ein «Wahlbasler») keimte die leise Hoffnung, man möge doch vielleicht einen der vom Club einst «verschmähten Exilbasler» wie Cedric Itten oder Pascal Schürpf gewissermassen repatriieren, wie einst Alex Frei. Die Fans mussten sich aber damit abfinden, dass der FC Basel jahrelang eine Söldnertruppe aufgestellt hatte. Die «Marke FCB» und die Liebe der Bevölkerung zum Club sowie die Fankultur und den identifikatorischen Charakter muss man dauerhaft pflegen. Immerhin: Im Verwaltungsrat und Vereinsvorstand befinden sich einige «echte Baselbieterinnen und Baselbieter oder Baslerinnen und Basler» und es sind in diversen Funktionen starke Identifikationsfiguren tätig. Damit wurde die befürchtete «Entwurzelung» abgewendet.
Messbare Alarmsignale
Die Gefahr des Identifikationsverlustes ist bei Aspekten wie Imageverlust, generelle Enttäuschung oder Kaderzusammenstellung bemerkbar, aber auch in messbaren Werten zu belegen: Zum Beispiel der Dauerkartenverkauf – dieser erlebte beim FCB seit 2018 einen Einbruch. Als Tiefpunkt der letzten zwei Jahrzehnte zählte man in der Saison 21/22 sogar noch rund 13’000 Dauerkartenbesitzer/innen. In den Saisons danach zog es wieder leicht an. Und dies trotz einer Preiserhöhung von rund 7,5 Prozent. Ebenfalls ein Alarmsignal war die hohe «No Show»-Rate in den letzten Saisons. Diese betrug einmal sogar besorgniserregende 30 Prozent. Dieser Trend ist zum Glück etwas zurück gegangen.
Die Ticketeinnahmen waren die letzten Jahre bereits rückläufig. Speziell im Vergleich zum letzten Meisterjahr (rund zwei Millionen weniger). Und schon seit 2014 gingen die Zuschauerzahlen leicht, aber stetig zurück. Ganz anders sah es die letzten Jahre beim grossen Rivalen, dem BSC Young Boys aus. Dieser hatte vor drei Jahren seinen Saisonkartenabsatz um satte 7000 Abonnenten gesteigert. Die Gründe für die Saisonkarten-Entwicklung beim FCB sind vielseitig: Einerseits sprangen viele so genannte «Mode Fans» ab. Und die Anspruchsgruppen des FCB sind heterogener als je zuvor. Nun werden identifikationsbildende Massnahmen und ein «Retention Marketing» gefragt sein.
Eine zeitweilige Absenz von den Europäischen Clubwettbewerben hat zudem auch für die Wertschöpfungskette Folgen: Hoteliers, Detailhändler und Betriebe sowie auch für Basel Tourismus und für das Standortmarketing waren die Teilnahmen an einem Europäischen Wettbewerb wichtig. Der FCB hat sich mit den Erfolgen in der Champions und Europa League und vorletzte Saison in der Conference League in den letzten zwei Jahrzehnten international kontinuierlich einen Namen gemacht und dadurch auch der Stadt Basel zu einer grösseren Bekanntheit verholfen. Insbesondere die mediale Aufmerksamkeit habe den Namen, beziehungsweise die Marke Basel in die Welt hinaus getragen.
JoW